Beurteilungskriterien

 

Die folgenden Beurteilungskriterien entscheiden wesentlich darüber, ob es sich um ein „gutes“ oder ein „schlechtes“ Okular handelt. Auf unseren Produktseiten geben wir für jedes Okular eine Bewertung nach den  folgenden Kriterien an.

 

-          Schärfe

Eines der wichtigsten Beurteilungskriterien, gleichzeitig aber auch eine Minimalanforderung. Ein Okular, das kein scharfes Bild liefert, ist verschwendetes Geld.
Was heißt nun aber „scharfes Bild“?
Das menschliche Auge ist in der Lage, zwei Punkte als getrennt voneinander zu erkennen, wenn ihr Abstand größer als ca. eine Bogenminute ist. Daher wird ein Okular den Eindruck eines scharfen Bildes geben, wenn es in der Lage ist, bezogen auf das scheinbare Gesichtsfeld von 30-85° (je nach Bauart) eine Auflösung von einer Bogenminute oder besser zu liefern. „Bessere“ Okulare vermag das Auge bezüglich Schärfe nicht mehr zu unterscheiden, „schlechtere“ vermitteln den Eindruck eines unscharfen Bildes. Natürlich muss die Vergrößerung zum Teleskop passen – das beste Okular ist nicht mehr in der Lage, ein scharfes Bild zu liefern, wenn die Vergrößerung 400-fach an einem Teleskop mit 50mm Linsendurchmesser beträgt – siehe Kennzahlen.
Auch bei höheren Vergrößerungen sollte ein Okular aber die Auflösung von einer Bogenminute bringen, da sich die teleskopbedingte Beugungsunschärfe und die Okularunschärfe summieren.

-          Randschärfe

Während die meisten Okulare eine ausreichende Schärfe entlang der optischen Achse liefern, trennt sich die Spreu vom Weizen, wenn man die Abbildungsqualität bis hin zum Rand des Gesichtsfeldes untersucht. Okulare, die zum Rand hin nur noch unscharf abbilden, können immer noch gut für einen bestimmten Zweck, z.B. für Planetenbeobachtung, geeignet sein. Bei Weitwinkelokularen kommt es aber in aller Regel darauf an, dass die Schärfe auch bis zum Rand hin gut bleibt, ansonsten könnte man auch (günstigere) Okulare mit kleinerem Gesichtsfeld nehmen.
Eine Randunschärfe muss nicht immer durch das Okular bedingt sein. Gerade bei langbrennweitigen Weitwinkelokularen spielt das Teleskop selbst eine entscheidende Rolle. Kritisch sind Newtons mit kurzen Öffnungsverhältnissen (F/5 oder F/4). Wo immer möglich weisen wir daher bei den Okularen darauf hin, wenn sie für solche Systeme weniger geeignet sind (Test am eigenen F/5 Newton).
Die Schärfe eines Okulars ist ein relativ gut zu messender, quantitativ zu fassender Parameter. Wir testen folgendermaßen:
Das zu testende Okular wird hinter ein 135mm Vivitar Fotoobjektiv gesetzt. In ca. 1,5m Entfernung ist ein USAF Auflösungstarget befestigt, auf das nun dieser Aufbau fokussiert wird. Den Schärfeverlauf über das Gesichtsfeld ermitteln wir dann, indem wir die erreichte Auflösung an mehreren Punkten entlang einer Linie durch die Mitte des Okulars messen (in mm). Die Auflösung in Bogenminuten erhält man durch den Bezug auf das gemessene scheinbare Gesichtsfeld. Daraus wird dann ein Schärfediagramm (s. Abbildung 2) erstellt. Da das Auge benutzt wird, um die Auflösung zu bestimmen, kann ein so gemessenes Okular keine Auflösung nennenswert unter einer Bogenminute zeigen, selbst wenn es theoretisch besser wäre - aber selbst wenn es wirklich besser ist, am Teleskop sehen Sie keinen Unterschied mehr (s.o.).
Das Fotoobjektiv wird hierbei natürlich als perfekt angenommen – was nicht stimmt, aber die Abbildung ist aufgrund der geringen Brennweite und damit der kleinen Vergrößerung deutlich besser als durch ein Teleskop.

 

Abbildung 1: USAF Auflösungstarget. Die kleinste Gruppe von senkrechten und waagerechten Strichen, die noch als Einzelstriche zu erkennen sind, geben über eine zugehörige Tabelle die Auflösung des Systems in mm an.

Abbildung 2: Schärfeverlauf eines 9mm Super Plössl über das scheinbare Gesichtsfeld. Von grün nach rot nimmt die Unschärfe zu. Der Wert von 1,1 Bogenminuten in der optischen Achse ist akzeptabel, außerhalb von +/-17° um die Achse machen sich Randunschärfen deutlich bemerkbar. Von der Schärfeleistung her ist dieses Okular als brauchbar einzustufen - es geht aber besser. Ein solches Diagramm erzeugen wir nach Möglichkeit für jedes Okular.

 

-          Scheinbares Gesichtsfeld

Herstellerangaben zum scheinbaren Gesichtsfeld sind nicht immer wirklich zutreffend. Wir prüfen die Angaben und kommentieren gegebenenfalls.

-          Kontrast und Farbtreue, Farbfehler

Diese Eigenschaften sind deutlich schlechter zu fassen als die Schärfe. Wir beurteilen anhand der Abbildung des obigen Aufbaus an einem Farbtarget (siehe Abbildung 3 und Abbildung 4) daher subjektiv den Bildeindruck. Als Vergleich dient jeweils die Abbildung mit einem sehr guten Okular.
Ein guter Kontrast wird hauptsächlich dadurch erreicht, dass das Okular mit einer Vielfach-Antireflexbeschichtung auf allen optischen Flächen versehen wird (fully multi-coated). Durch diese Beschichtungen wird die Transmission erhöht (das Bild wird heller), aber wesentlicher ist, dass hierdurch Reflexe und Streulicht drastisch reduziert werden. Damit wird der Himmelshintergrund dunkler, ergo der Kontrast besser.
Farbfehler resultieren aus unterschiedlichen Brechzahlen für verschiedene Wellenlängen. Dieser Fehler wird minimiert, indem man verschiedene Glassorten verwendet, deren Farbfehler sich gegenseitig aufheben. Trotzdem können Restfarbfehler übrig bleiben, die sich in farbigen Säumen bemerkbar machen und Kontrast und auch Schärfe herabsetzen.

-          Abbildungsfehler: Gesichtsfeldwölbung und Verzerrungen

Mit dem gleichen Target werden Verzerrungen (tonnen- oder kissenförmige Verzeichnung) sowie eine Gesichtsfeldwölbung (der Fokus verschiebt sich über das Gesichtsfeld, d.h. es kann entweder nur die Mitte oder der Randbereich scharfgestellt werden) festgestellt.

-          Einblickverhalten

Ebenfalls subjektiv beurteilt wird das Einblickverhalten. Kurzbrennweitige Objektive haben in der Regel einen sehr kurzen Augenabstand. Der Einblick kann daher gewöhnungsbedürftig oder auch unangenehm sein. Spezielle Okulare mit großem Augenabstand (Long Eye Relief), die hierfür eine zusätzliche Linsenkombination aufweisen, umgehen dieses Problem und sind insbesondere für Brillenträger zu empfehlen (mit Astigmatismus! Rein kurz- oder weitsichtige Personen nehmen die Brille einfach ab und fokussieren, bis sie ein scharfes Bild sehen).

-          Qualitative Ausführung

Unser Eindruck der nicht-optischen qualitativen Ausführung nach den Kriterien verwendete Materialien, Augenmuschel, Gummiarmierung etc. wird in dieser Bewertung wiedergegeben.

 

 

 

Nachfolgend zwei Beispiele über die Unterschiede zwischen verschiedenen Okularen - als Hinweis darauf, dass man Qualitätsunterschiede zwischen Okularen sichtbar machen und beurteilen kann. Nicht alles ist Geschmackssache und subjektiv geprägt.

Es soll jedoch an dieser Stelle auch darauf hingewiesen werden, dass ein solches Schärfediagramm nicht alles über ein bestimmtes Okular aussagt. Zu bedenken ist noch folgendes:

 

-          Das optische System besteht nicht nur aus dem Okular, sondern auch aus dem Objektiv und ev. weiteren optischen Komponenten des Teleskopes. Wenn hier etwas nicht stimmt, kann das Okular auch nichts mehr retten. insbesondere bei instrumenten mit kurzem Öffnungsverhältnis (F/4, F/5) können Randunschärfen bzw. Newton-Koma auftreten. Nach Möglichkeit weisen wir gesondert auf weniger für solche Systeme geeignete Okulare hin.

-          Es gibt eine gewisse Serienstreuung bei Okularen. Für den Test kann man ein gutes oder ein weniger gutes Okular erwischen. Die Streuung sollte sich zwar in Grenzen halten, aber es lassen sich keine Garantien aus den Diagrammen ableiten.

Bitte verwenden Sie die Schärfediagramme daher mit Bedacht. Sie sind ein echtes Hilfsmittel bei der Entscheidungsfindung, aber nicht der Stein der Weisen.

 

  

Abbildung 3: Schlechtes Orthoskopisches (!) 4mm-Okular eines namhaften amerikanischen Herstellers - zu dessen Ehrenrettung kann nur gesagt werden, dass es sich um ein 25 Jahre altes Okular handelt, das keine Rückschlüsse auf die heutige Qualität zulässt. Das Okular zeigt alle Fehler: Nicht ausreichende Schärfe auch im Zentrum, gravierende Randunschärfe, Bildfeldwölbung und Verzeichnung. Selbst leichte Farbfehler sind im äußeren Bereich zu erkennen. Das Schärfediagramm rechts ist dementsprechend erschreckend, der Eindruck am Teleskop übrigens auch.

  

Abbildung 4: Deutlich besser: ein 15mm Plössl, gar nicht sonderlich teuer, erfüllt seinen Zweck bestens. Sehr gute Schärfe bis in den Randbereich, keine sichtbare Verzeichnung, sehr guter Kontrast. Das spiegelt sich auch im Schärfediagramm rechts wieder, in dem man bis zum Rand hin nur eine geringe Verschlechterung der Schärfe erkennt.

 

„Inside“-Kriterien:

 

Vergütung:

 

Eine gute Vergütung der Linsen (aller Glas-Luft-Flächen) trägt zu einer erhöhten Transmission und, was noch wichtiger ist, zur Minderung von Reflexen und Streulicht bei.

Von Multivergütung redet man dann, wenn mehrere Vergütungsschichten aufgetragen werden, die durch die Schichtdicke so gestaltet werden, dass durch Mehrfachreflektionen die unerwünschten Lichtstrahlen zur Interferenz gebracht werden und sich damit auslöschen. Das folgende Beispiel zeigt den Unterschied: Links ein multivergütetes Linsenelement aus einem TS-SW-20 Okular, rechts daneben das ansonsten baugleiche SKY-UWA-20.

 

 

Abbildung 5: Multivergütung und einfache Vergütung. Links eine multivergütete Linse, rechts einfach vergütet. Man beachte die Spiegelung des Fensters: links farbig von rot nach blau, rechts einfarbig und heller.

 

Die Reflektionen des Fensters sind bei der multivergüteten Linse abhängig vom Einfallswinkel verschieden farbig – ein eindeutiger Hinweis auf Interferenzen und damit auf eine Multivergütung. Rechts ist dagegen keine Farbvariation sichtbar, diese Fläche ist nur einfach vergütet. Beim Skywatcher sind nur die äußeren Linsenelemente multivergütet, beim TS Okular dagegen alle (man vergleiche unsere Angaben auf den Produktseiten). Die Angaben zur Vergütung  bedeuten, sofern sie der Wahrheit entsprechen, folgendes:


„coated“:                       mindestens eine Linse hat eine Vergütung

„fully coated“:                alle Linsen haben eine Vergütung

„multicoated“:                mindestens eine Linse hat eine Multivergütung

“fully multicoated”:         alle Linsen haben eine Multivergütung

 

Unvergütete Linsen haben ca. 5% Reflektionsverluste pro Glas-Luft-Übergang, einfach vergütete ca. 2% und multivergütete deutlich weniger als 1% (jeweils Richtwerte). Wohl gemerkt: pro Glas-Luft-Fläche. Bei einem Okular mit drei Gruppen gibt es schon 6 solcher Flächen, da bleiben bei einem unvergüteten Okular gerade mal gut 70% Transmission übrig, bei einem einfach vergüteten etwa 90% und bei Multivergütung schon mal 98%. Klar, dass das Bild mit Multivergütung heller ist. Und zusätzlich steigt der Kontrast, denn das nicht transmittierte Licht findet sich zumindest in Teilen als aufgehellter Hintergrund oder als störende Reflexe wieder.

 

Geschwärzte Linsenkanten:

 

Zur Verminderung von Reflektionen an den Linsenkanten werden diese oft geschwärzt, entweder vom Werk aus, oder Sternfreunde bauen die Okulare auseinander und greifen selbst zum Edding. Ob das Vorteile bringt? Normalerweise sollte an diese Stellen überhaupt kein Licht fallen. Ist die Feldblende entsprechend ausgelegt, dann bringt ein Schwärzen der Linsenkanten praktisch nichts. Schaden tut es aber auch nicht, und es mag auch Okulare geben, wo helle Objekte, die außerhalb des Gesichtsfeldes stehen, ihr Licht auf die Linsenkante werfen und damit helle Reflexe hervorrufen. Hier lässt sich nur durch Probieren im Einzelfall entscheiden, ein generelles Kaufkriterium sind geschwärzte Linsenkanten eher nicht. Wie man an den Beispielbildern oben sieht, ist die Werksschwärzung auch nicht unbedingt sehr sorgfältig ausgeführt.

 

Feldblende:

 

Die Feldblende ist ein Bauteil, an dem bei den günstigeren Okularen gerne gespart wird. Ein ordentliche Ausführung, d.h. mattschwarz lackiert und als Schneide ausgeführt, findet sich meist erst bei guten (teuren) Okularen. Pentax wie auch die Baader Genuine Orthos zeigen, wie es gemacht wird. Günstigere Okulare haben hier lediglich einen Ring, der zwar das Gesichtsfeld sauber begrenzt, aber durch seine Bauhöhe und meist nicht mattschwarze Färbung zu unerwünschten Reflexen führen kann. Beispielfotos sind hier angefügt.

 

 

Abbildung 6: Links die Feldblende eines Genuine Ortho, mattschwarz und als Schneide ausgeführt, rechts ein einfaches Standardokular. Hier wird die Gesichtsfeldbegrenzung durch eine (spiegelnde) Hülse erreicht.

 

Filtergewinde:

 

Einschraubgewinde für Filter finden sich nahezu in jedem Okular, aber fehlt eine Angabe hierzu, so ist man vor Überraschungen nicht sicher. Unsere Okulare haben sämtlich ein Filtergewinde, die Angabe ist aber nicht explizit bei jedem Okular dabei. Die Gewinde sind oftmals leicht unterschiedlich in den Steigungen und Durchmessern, so dass nicht alle Filter wirklich gut passen. Das ist weniger auf mangelhafte Qualität, als vielmehr auf einen fehlenden Standard zurückzuführen. Zumindest bei den 1,25“-Okularen passen aber eigentlich alle Filter zumindest insoweit, dass sie sich ein oder zwei Gewindegänge weit einschrauben lassen. Nur nicht mit Gewalt zu Werke gehen!

Die Gewinde bzw. das Innere der Steckhülse sollten, ebenfalls um Reflexe auszuschließen, mattschwarz lackiert sein. Das ist nicht immer der Fall, notfalls kann man aber auch selbst Hand anlegen.

 

 

Abbildung 7: Links die ungeschwärzte Hülse eines einfachen Plössls, rechts das „schwarze Loch“ eines Genuine Orthos.